Familie Erde

Den Autopiloten beenden!

2016-09-04

Auf dem Weg, ein Leben zu führen, das unsere Erde mit Würde behandelt und ihre Ressourcen nicht überbeansprucht, stehen wir uns oft selbst im Weg. Wir stecken in Sachzwängen und Angewohnheiten, die wir oft nicht mal selbst bemerken. Dabei ist es gar nicht so schwer, den entscheidenden Schritt in Richtung Handlungsfreiheit zu tun.

Ich glaube, dass wir uns angewöhnt haben, mit einer Art Autopilot durchs Leben gehen. Wir treffen zwar Unmengen von Entscheidungen, aber wir entscheiden nicht mehr über die Auswahl der Themen, die von uns Entscheidungen verlangen.

Wir entscheiden, ob wir Bio Gemüse kaufen oder nicht, dann entscheiden wir, das Gemüse heute bei Rewe zu kaufen statt bei Tegut und dass es die Cherry-Tomaten sein sollen und nicht die Coctail-Tomaten. Bei den Gurken nehmen wir Landgurken statt Salatgurken und die Pizza nehmen wir heute von Wagner statt von Dr. Oetker.

Gefangen in einer Welt unausgesetzten Konsums (und seien es auch nur Internet-Inhalte) haben wir den Blick für die wichtigsten Aspekte unseres Daseins verloren.

Für viele von uns, die es nicht schaffen, sich dauernd durch Konsum zu betäuben, stellt sich das bedrückende Gefühl ein, dass unser Leben uns lebt statt umgekehrt. Wir schwimmen mit in einem breiten Strom und wenn wir uns sehr anstrengen, können wir noch ein bisschen Einfluss darauf nehmen, wie weit vorne wir treiben. Die Richtung aber ändern wir nicht. Wir sehen auch nicht, dass es unser Strampeln ist, das den Strom erst erzeugt. Weil alle anderen in die selbe Richtung strampeln, erscheint es uns selbstverständlich, mit dem Strom zu schwimmen.

Stellen wir jetzt fest, dass die Richtung nicht (oder nicht mehr) unsere ist, dann stecken wir oftmals in so vielen Sachzwängen fest, dass wir trotz ungezählter Entscheidungen gar keinen wahrnehmbaren Bewegungsspielraum mehr haben (die Hypothek, die Kinder, der Chef, der Sportverein, unser Freunde-Netzwerk auf Facebook etc.). Wir stecken fest!

Falsch! Warum?

Tatsächlich können wir uns nahezu beliebige Freiheitsgrade erarbeiten. Genauer gesagt, haben wir sie schon. Wir müssen nur lernen, sie wieder wahrzunehmen, und das ist wirklich einfach. Wir müssen nur das heilige Wort der Freiheit lernen, und das heißt: NICHTS

Das NICHTS hat eine Bedingung, und das ist die Gegenwart. Nur hier können wir handeln, nur im Jetzt können wir entscheiden. Und nur dort haben wir die Gelegenheit zu überlegen, was wir wirklich wollen. Das NICHTS ist aber viel mehr als das berühmte „Hier und Jetzt“. Das NICHTS ist die Basis von ALLEM. Erst vor dem NICHTS nimmt Jegliches Gestalt an. Wie heißt es bei Laotses großartigem Werk Tao te King in Vers 11, der statt von NICHTS von der Leere spricht?

Dreißig Speichen treffen die Nabe /
Die Leere dazwischen macht das Rad.
Lehm formt der Töpfer zu Gefäßen /
Die Leere darinnen macht das Gefäß.
Fenster und Türen bricht man in Mauern /
Die Leere damitten macht die Behausung.
Das Sichtbare bildet die Form eines Werkes /
Das Nicht-Sichtbare macht seinen Wert aus.

Zitat aus dem Buch „LAOTSE – TAO TE KING“ aus dem Otto Wilhelm Barth Verlag (1979)

Wie erreichen wir das NICHTS ?

Nicht auf jeden Impuls gleich reagieren, auch nicht damit, dass wir ihn bewusst stoppen. Einfach nur wahrnehmen, dass wir reagieren wollen oder wollten, und dann beobachten was passiert. In diesem kurzen, aber intensiven Augenblick ereignen sich alle Wunder der Welt. Nirgendwo sonst haben wir die Chance, etwas richtig zu machen. Nur hier. Und das ist wirklich einfach, vorausgesetzt, wir haben die Neugier und die Leidenschaft, wirklich etwas über uns rauszufinden, statt uns in innere Dialoge zu verstricken.

Das NICHTS schaltet den Autopiloten ab. Es lässt uns einen Blick auf eine Welt werfen, in der es keine Selbstverständlichkeiten und Automatismen mehr gibt. Wir stehen wieder da wie staunende Kinder und stellen fest, dass vieles um uns herum ziemlich verrückt erscheint. Und wenn wir unsere eigenen Impulse sehen (ohne sie auszuleben, aber auch ohne sie zu bewerten), merken wir, dass wir diese ganze verrückte Welt selbst im Kopf haben.

Das NICHTS lässt uns nicht nur einen Schritt, sondern eine ganze Perspektive weit zurücktreten, und wir erkennen den Fluss, in dem alle schwimmen. Vom Ufer aus. Jetzt endlich können wir gehen, wohin immer wir wollen.


Empfohlene Literatur

Einbruch in die Freiheit (Jiddu Krishnamurti)
Die Essenz der Vorträge, die Krishnamurti während vieler Jahre gehalten hat. Es geht ihm darum, uns nicht mit Vorstellungen im Wege zu stehen, sondern die Welt immer wieder frisch und neu zu erleben.

Die Leidenschaft der Erkenntnis („The Passionate Mind“, Joel Kramer)
Joel Kramer wirbt für die nicht wertende Wahrnehmung, den tiefen Blick in uns selbst, der es uns ermöglicht, die Ursachen unserer Probleme zu erkennen, ohne dafür spezielle Methoden oder Techniken einzusetzen. In englischer Sprache ist die Forsetzung dieses Buchs verfügbar („The Passionate Mind revisited“, Joel Kramer und Diana Alstad), welches das Thema auf die Ebene sozialer Interaktion hebt und auf die Probleme eingeht, die wir als gefährdete soziale Spezies uns und dem gesamten Planeten machen.

Ruhe im Kopf (Sandy C. Newbigging)
Sandy Newbigging gibt sanfte Hilfestellungen für alle, die das Dauerdenken als Quelle eines gestörten Seelenfriedens erkannt haben, den wir so dringend brauchen, wenn wir uns entschlossen haben, uns für eine lebens- und liebenswerte Welt einzusetzen.

Jetzt (Eckhart Tolle)
Schon der Untertitel „Die Kraft der Gegenwart“ zeigt, was Eckhart Tolle vermittelt: wir können nur im Jetzt handeln, die Vergangenheit existiert nur in unserer Erinnerung und die Zukunft ist lediglich eine Vorstellung.

zurück zu Es ist leicht